Mario Tamponi Zurück
Unser tägliches Brot gib uns heute! Unsere tägliche Kraft gib uns heute… Hymne auf die Barmherzigkeit Unsere tägliche Kraft gib uns heute, denen zu verzeihen, die uns verletzt haben, auch wenn sie nicht damit aufhören, weil sie ausnutzen, dass wir unbewaffnet sind; gib uns die Kraft, den Rufmord zu ertragen, auch wenn scheinbar Wohlmeinende darum wetteifern, ihn weiterzuverbreiten. Gib uns heute die Kraft, nicht im Morast von Depression und Rebellion zu versinken, den Schmerz als Geschenk anzunehmen und ihn einzudämmen, indem wir denen die Hand reichen, denen es schlechter geht als uns; gib uns die Kraft, den nicht zu beneiden, der uns glücklicher scheint, und die Lage eines jeden als einzigen Schauplatz seines eigenen Wegs zu sehen. Gib uns heute die Kraft, uns nicht eitel in unserer Intelligenz und Bildung zu sonnen, sondern sie als Gaben zu verstehen, für die wir Rechenschaft schulden; gib uns die Kraft, das Sein nicht mit den Verlockungen des Habens zu hintergehen und auf Überflüssiges zu verzichten, solange es Menschen gibt, denen es am Nötigsten fehlt. Gib uns heute die Kraft, das Evangelium nicht als Beruhigungstrank oder schmückendes Abzeichen zu missbrauchen, als Mittel zum Erfolg, als Versicherungsschein für das Ewige Leben; gib uns die Kraft, uns vom Konformismus der Moden und Allgemeinplätze zu befreien, der Vermarktung des Lebens wie des Todes zu entziehen und deren verlorenen Sinn wiederzufinden. Gib uns heute die Kraft zum Widerstand gegen skrupellosen Karrierismus, gegen die Aufnahme in siegreiche Lobbys, gegen die Unterwürfigkeit den Mächtigen gegenüber, gegen die Arroganz den Ohnmächtigen gegenüber; gib uns die Kraft, keine Kompromisse mit Konsumdenken und Mediensucht einzugehen, damit der Mensch mehr gilt als das, was er produziert und ausgibt, mehr als das Trugbild von Ansehen und Erfolg. Gib uns heute die Kraft, uns nicht für gerechter oder besser zu halten als andere, nicht unsere eigenen Ansichten Dogmen gleich durchzusetzen, nicht Neugier und Staunen zu ersticken; gib uns die Kraft, die Barmherzigkeit den Riten, die Ethik Predigten und abstrakten Abhandlungen vorzuziehen, einem Glauben ohne Demut, ohne Mitleid zu misstrauen. Gib uns heute die Kraft, das Gute in den anderen zu erspüren, Mitgefühl zu empfinden auch gegenüber Egoisten und Gewalttätern, im Bösen die sozialen Ursachen zu erkennen, Neurosen und Ängste, Enttäuschungen aufgrund ausgebliebener Liebe und erlittenen Unrechts; gib uns die Kraft, niemandem auch nur ein einziges Haar zu krümmen zu unserem Vorteil oder im Namen Gottes. Gib uns heute die Kraft, uns nicht als Kaste von Privilegierten und Auserwählten zu fühlen, allen das Paradies zu wünschen, auch unseren Feinden und denen, die als Verrückte und Angreifer gelten; gib uns die Kraft, denen Trost zu spenden, die ohne Hoffnung leiden, ohne Freude, sich nützlich machen zu können. Gib uns heute die Kraft, Weisheit nicht mit Wissen zu verwechseln und das Schöne nicht mit der Gier, es zu besitzen; gib uns die Kraft, uns dem Forschen und Denken zu öffnen, um das Geheimnis zu empfangen, das daraus erwächst, ohne uns einzubilden, dessen Schöpfer und Lenker zu werden. Gib uns heute die Kraft, unsere Würde und Nichtigkeit an den Sternen zu messen, die Suche nach dem Wahren nicht gegen Macht einzutauschen, den Nächsten nicht in Statistiken zu verbannen; gib uns die Kraft, seine individuellen Bedürfnisse und Utopien zu entdecken. Unsere tägliche Kraft gib uns heute, um Dir im Hungernden und Dürstenden zu begegnen, im Verfolgten und im Gefangenen, im Opfer von Privileg und Gewalt; gib uns die Kraft, den Ausgestoßenen dieser Überflussgesellschaft und der Welt als Verbündeten unserer eigenen Befreiung zu sehen; ihm beizustehen und in sein Reich zu folgen, das das Deine ist. Mario Tamponi